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"Das Internet im Dienste der KMU"
8 &t 9 februar  1999 Paris
Uhr Einführendes Referat: allgemeine Problemstellung 
 Francis LORENTZ
Vorsitzender der Mission «elektronischer Handel»,
 
Guten Tag, meine Damen und Herren!
Ein Jahr elektronischer Handel in Frankreich  Vor einem Jahr hat der Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie mich – oder besser: uns, denn wir waren ein Team – gebeten, eine Bestandsaufnahme des elektronischen Handels für die französischen Unternehmen zu erstellen, die Tragweite seiner Entwicklung sowie die Hindernisse, die sich ihm in Frankreich entgegenstellen können, zu ermitteln. Vor ein paar Tagen haben wir dem Minister darüber Bericht erstattet, was sich innerhalb eines Jahres in Frankreich, aber auch im internationalen Umfeld, ereignet hat. Hatten sich unsere Prognosen verwirklicht? War der Staat, generell gesprochen, seinen Verpflichtungen nachgekommen oder nicht?
Großartige Möglichkeiten Da es hier speziell um KMU und KMI geht, werde ich nicht wiederholen, was Sie alle wissen, nämlich, daß das Internet großartige Möglichkeiten für diese Unternehmen beinhaltet, einmal weil es ihnen Zugriff auf die ganze Welt bietet und zum zweiten, weil es den Newcomern eine Sonderprämie verspricht. Die Großunternehmen mit ihren etablierten Vertriebsnetzen und ihrer gewohnheitsmäßigen Vermarktung, mit ihrer Organisation sind auf diesen neuen Märkten benachteiligt, während die jungen Unternehmen, die Kleinunternehmen die Last der Vergangenheit weniger zu spüren bekommen und dadurch leichter Zugang zu diesen neuen Märkten finden.
  Ich glaube, daß zu diesen allgemeinen Themen bereits alles gesagt worden ist, und ich werde mich daher nicht weiter dazu äußern. Stattdessen werde ich versuchen, aus der einjährigen Bilanz der Entwicklung des elektronischen Handels einige spezifischere Lehren zu ziehen.
Vom Minitel...  Was als erstes auffällt, ist zweifellos die außerordentliche Sensibilisierung. Vor etwas über einem Jahr noch glaubte man im allgemeinen, daß Frankreich auf diesem Gebiet definitiv zurücklag und daß hier nicht begriffen worden war, welch eine tiefgreifende Umwälzung sich da abspielte. Weil die Franzosen, da sie zu Recht zufrieden und stolz auf die Leistung des Bildschirmsystems Minitel waren, nicht verstanden hatten, daß sich die Tür zu einem neuen Umfeld öffnete, das nicht an unseren Landesgrenzen aufhörte. Was das Minitel-System ja tut. Diese Umwälzung sollte viel leistungsstärkere Mittel zur Verfügung stellen. Das war die vorherrschende Meinung, ich würde sagen, im Herbst 1997. Seither haben sich die Dinge sehr schnell weiterentwickelt, und das ist eine recht positive Feststellung. Um eine Zahl zu nennen – ich werde später noch näher auf den Aussagewert von Zahlen eingehen –, die Anzahl der ans Internet geschlossenen KMU mit 10 bis 500 Beschäftigten soll von 24 auf 48 % gestiegen sein, d.h. sich verdoppelt haben. Das ist gut so, aber was mich mehr als diese Zahlen interessiert, ist die Realität, die wir anläßlich lokaler oder regionaler Veranstaltungen, die wir besucht haben, geradezu mit den Händen greifen konnten. Dazu habe ich zwei Beobachtungen zu machen: 
...zum Internet  Die erste ist folgende: wir haben praktisch überall die Entwicklung eines spürbaren Interesses am Internet beobachten können, das mehr ist als pure Neugier. Wir haben eine Reihe KMU, aber auch die sie vertretedenden Organisationen bei den lokalen Veranstaltungen getroffen, und wir haben immer wieder mit KMU, mit Unternehmern gesprochen, die sich auf eigene Faust auf die Reise in die Zukunft begeben haben. Sie waren sich der Veränderung bewußt geworden und hatten den Aufbruch beschlossen. Hochinteressant, und vor allem ganz neu in Frankreich, ist, daß mir persönlich dieser Trend in der Provinz aktiver und dynamischer erschien als in Paris. Wenn man darüber nachdenkt, ist es eigentlich ganz logisch, denn die eher isolierten, die dezentral angesiedelten Unternehmen ziehen den größten Nutzen aus diesem Instrument, das sie von einem Tag auf den anderen mit jedem beliebigen Unternehmen in der Welt gleichstellt. Daher ist heute eine regionale Dynamik am Werk, in der – was auch relevant ist – die Anstrengungen der privatwirtschaftlichen Unternehmen mit denen des Staates, insbesondere der Beamten des Ministeriums für Wirtschaft, Finanzen und Industrie, des Staatssekretariats für Industrie, und der gewählten Volksvertreter verbunden sind.
… insbesondere in den Regionen...  Mir ist ganz besonders aufgefallen, in wie vielen lokalen Ansätzen die Initiativen der Gebietskörperschaften (Gemeinde, Region, Departement), der Industrie- und Handelskammern bzw. sogar der Unternehmen verknüpft sind. Bekannte Beispiele stammen aus dem Norden Frankreichs, aus dem Bereich von Grenoble oder aus der Bretagne. Aber es handelt sich um eine Bewegung mit dem Trend zur allgemeinen Ausbreitung. Bei der Nutzung des Internet scheint man sich der Tatsache bewußt zu sein, daß auf lokaler Ebene die Interessen der einzelnen Akteure miteinander verflochten sind. Das Internet kann die lokale Entwicklung und Dynamik insofern stützen, als im gleichen Netz alle Informationen und Anwendungen für den Benutzer bereitgehalten werden, ob sie nun die Belange des Bürgers, der Wirtschaft oder der Verwaltung angehen. Diese lokale Synergie drückt sich jetzt aus, organisiert sich, und zwar überall in Frankreich. Dieses Phänomen ist, meiner Meinung nach, äußerst interessant und wichtig für die KMU.
...die ihre Kräfte vereinen...  Das Haupthindernis auf dem Weg ins Internet besteht für die KMU natürlich in ihrer kleinen Dimension, ihrer Abgeschiedenheit, ihrer Schwierigkeit, sich in dieser neuen Welt, in diesem internationalen Dschungel zurechtzufinden. Alles, was sie in eine kollektive Bewegung einbinden kann, ist daher hochwillkommen. Ein KMU kann gemeinsam mit anderen leichter ins Internet gehen als allein, das ist doch klar. Und damit kommen wir zu meiner zweiten Beobachtung, die vielleicht ein wenig an der Oberfläche bleibt. Sie gründet sich nicht auf Zahlen. Sie gründet sich nicht auf vertiefte Analysen, sondern auf den Eindruck, daß eine große Dynamik entsteht, die sich auf eine Verknüpfung der Bemühungen aller stützt. 
Die Mittel zur Beobachtung sind noch unzureichend.  Ich habe bereits angesprochen, wie schwierig die Zusammenstellung von zuverlässigem Zahlenmaterial ist. Ich habe eine Zahl genannt, mehr werden auch nicht kommen. Wie ich weiß, wird Ihnen ein Workshop über die Beobachtungsstellen angeboten. Im Rahmen unserer Arbeit haben wir diesen Aspekt ebenfalls aufgegriffen. Nur eine Bemerkung zu diesem Punkt – wir wollen ja nicht noch eine Beobachtungsstelle einrichten. Unzählige Instanzen sammeln Zahlen und Beobachtungen, besonders in Frankreich. Wir haben eher versucht (wir haben auch Vorschläge zu diesem Themenkreis unterbreitet), die Beobachtungsstellen zu vernetzen – schließlich leben wir in einer Welt der Netze –, d.h. die Handlungen verschiedener Akteure auf einer definierten, gemeinsamen methodologischen Basis zu kombinieren, ohne sie zu verschmelzen oder zusammenzufassen. Wir haben von allen akzeptierte Indikatoren festgelegt, und wir wollen im Laufe der kommenden Monate und Jahre bei all diesen Beobachtungsstellen eine Betätigungskonvergenz zustandebringen, in der einige sich um Statistiken kümmern, während andere eher Fallbeispiele analysieren. Wir haben dies umfassend für die Gesamtentwicklung des Internet in Frankreich durchgeführt; es wäre sicherlich sinnvoll, im Rahmen dieser Beobachtungsstelle die Aspekte KMU – KMI präziser herauszuarbeiten.
… der B to B (Business to Business) ...  Noch etwas fällt mir beim Überblick über die Bilanz des Jahres 1998 besonders auf: wenn es sich auch nicht wirklich um eine Zielverfehlung handelt, so bleibt doch eine sehr wichtige Komponente des elektronischen Handels allzu oft unberücksichtigt. In der Vorstellungswelt der Gesprächspartner des privaten oder öffentlichen Sektors, die ich getroffen habe, ist und bleibt e-commerce weiterhin der Einzelhandel. Aber die wirtschaftliche Tragweite des Handels zwischen Unternehmen ist kurzfristig sehr viel bedeutender als die des Einzelhandels. Wir müssen uns vor Augen halten, daß Unternehmen, die keine Beziehung des elektronischen Austauschs mit ihren Partnern, ihren Lieferanten aufbauen, im Einzelhandel eine schlechte Ausgangsposition haben werden, weil sie es versäumen, ihre Organisation und ihren Betrieb in bezug auf die Informationsnetze zu strukturieren, weil sie keine funktionalen Verbesserungen, insbesondere keine Verkürzungen der Wertschöpfungsketten und der Produktionszyklen, erzielen. 
Eine anspruchsvollere industrielle Logik  Eine der großen Schwächen der französischen Wirtschaft als Ganzes, wenn man sie mit der aktuellen amerikanischen Wirtschaft vergleicht, sind weiterhin die übermäßig langen Verkettungen und Zyklusabläufe vom Verbraucher, oder genauer: von der Bestellung, bis zur Lieferung. Ein vielfach wiederholtes Beispiel, das Philippe LEMOINE, Ko-Präsident des Kaufhauses Galeries Lafayette, zitiert: Aus einem Vergleich zwischen einem amerikanischen Woolmark-Supermarkt und einem durchschnittlichen französischen Supermarkt, die ungefähr die gleiche Größe haben, ergibt sich, daß der erstgenannte sich einen Lagerbestand von 7 bis 8 Tagen, der zweitgenannte von 27 Tagen hält. Dieser Unterschied gilt auch in vielen anderen Bereichen. Wie Sie wissen, beruht der Erfolg der DEC-Computer grundsätzlich nicht so sehr auf ihrer Technologie, sondern auf der Fähigkeit, durch Verschlankung des Fertigungszyklus und Verringerung des Lagerbestands die Reaktionsfrist zu verkürzen. DEC verfügt heute über einen Lagerbestand von 7 Tagen, die Wettbewerber COMPAQ oder IBM über das Zehnfache. Was bedeutet dies ? Es geht nicht einfach nur um eine Reduzierung der Finanzkosten, eine Erscheinung, die uns vertraut ist, sondern auch um die Möglichkeit einer unendlich erweiterten Flexibilität in der elektronischen Wirtschaft, weil die Antwort auf die Kundenwünsche nicht mehr durch das Vorhandensein eingelagerter Produkte, die abgesetzt werden müssen, gebremst wird. Die Gefahr der Obsoleszenz besteht auch nicht mehr. So erreicht man diese von DEC, aber jetzt auch von vielen KMU (darauf werde ich noch zurückkommen) an den Tag gelegte Fähigkeit, den Kunden mit maßgeschneiderten Lösungen zufriedenzustellen, d.h. sich an seinen personalisierten, individualisierten Bedarf anzupassen, statt ihn zu zwingen, das zu kaufen, was hergestellt wurde. Dadurch wird die seit Henri FORD und seinem berühmten T-Modell entwickelte industrielle Logik auf den Kopf gestellt. Ich glaube, genau darum geht es heute. 
Dies setzt voraus, daß der gesamte Ablauf der Auftrags-, Fertigungs- und Beschaffungsbearbeitung mit Bezug auf das Internet integriert wird, daß alle EDV-Tools vernetzt werden und eine einzige Geschäftsgemeinschaft aus dem Unternehmen selbst, seinen Zulieferern und Subunternehmern und seinen Kunden gebildet wird. Für zahlreiche KMU, selbst wenn sie relativ wenige Zulieferer oder Subunternehmer haben, ist es von wesentlicher Bedeutung, sich in irgendeiner Form in die Vernetzung einzuschalten. Wenn sie diese Dimension des Handels zwischen Unternehmen nicht einbeziehen, laufen sie Gefahr, an den Rand gedrängt zu werden, weil die Anfragen und Ausschreibungen der großen Unternehmen zunehmend über das Netz laufen werden.
  Das war der erste Punkt, den ich hervorheben wollte, nämlich die unbedingte Notwendigkeit zu vermitteln, daß als erste Voraussetzung der Austausch zwischen den Unternehmen per Internet organisiert wird und man sich nicht mit dieser beeindruckenden, über die Medien transportierten Vorstellung einer wundersamen Entwicklung einiger Unternehmen, die Bücher oder CDs im Internet verkaufen, zufriedengeben darf. Das ist wichtig, und wir werden noch darauf zurückkommen, aber es ist wahrscheinlich nicht das wesentliche Element.
Ein schlankeres und offeneres EDI Was mir in dem vergangenen Jahr auch sehr positiv erschienen ist und über den rein französischen Rahmen hinausgeht, ist die Entwicklung der Technologie, die jetzt eine Umstellung der Unternehmen auf unternehmensübergreifende Netze erleichtert und immer mehr erleichtern wird. Elektronische Verbindungen zwischen Unternehmen sind, wie Sie wissen, bereits eine ältere Erscheinung. Sie wurden im wesentlichen per EDI [elektronischer Datenaustausch], in Frankreich auch teilweise per Minitel praktiziert. Aber EDI ist eine aufwendige Technik, die nur von Experten beherrscht und gelesen werden kann, zudem sehr teuer, so daß die KMU oftmals in eine etwas dubiose Verbindung mit ihrem Großkunden gezwungen wurden, weil er die jeweilige EDI-Anwendung vorgegeben hatte.
  Durch den Übergang auf das Internet mit verschiedenen Zwischenlösungen, mit Brücken, mit dem sog. "EDI light" oder sonstigen Möglichkeiten wird das EDI Web den KMU den Zugang zu diesen elektronischen Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen beträchtlich erleichtern. Sie werden mit in HTML abgefaßten Bildern arbeiten. Sie werden mit bedienerfreundlichen Tools arbeiten, die entschieden kostengünstiger sind; dieser Trend hat 1998 ganz eindeutig begonnen und wird sich zunehmend beschleunigen.
Die wesentliche Rolle des Staates Die dritte Beobachtung bei diesen Anreizmaßnahmen, damit die KMU bei ihren geschäftlichen Beziehungen auf das Internet umschalten, betrifft die zentrale Aufgabe, die der Staat hierbei zu erfüllen hat. Auch diese Beobachtung ist nicht neu. Wir haben sie bereits vor einem Jahr zum Ausdruck gebracht, und jeder weiß, daß der Staat ein wesentlicher wirtschaftlicher Akteur ist. In Frankreich werden ca. 750 Mrd. FF (das sind ca. 115 Mrd. Euro) öffentliche Gelder für Güter und Dienstleistungen auf nationaler und lokaler Ebene ausgegeben; wenn alle entsprechenden Ausschreibungen im Internet veröffentlicht und die Verhandlungen mit den Behörden nur noch über das Internet gehen, dann werden sich alle Unternehmen, einschl. der kleinen und mittleren, auf den Einsatz des Internet umgestellt haben. Die Dinge werden sich nicht in allen Bereichen so drastisch abspielen, aber für die öffentlichen Aufträge wird es sicherlich zutreffen. Es wird gleichermaßen für alle Verfahren zutreffen, in denen Staat und Unternehmen in irgendeiner Form aufeinandertreffen, wie etwa die verschiedenen Steuererklärungen, Umsatzsteuer, Sozialleistungen usw. 
Entmaterialisierung der Austauschvorgänge Hier besteht die Chance, einen Anreiz zu schaffen, damit die KMU sich schnell auf das Internet umstellen, vorausgesetzt daß sich aus diesem entmaterialisierten Austausch für sie ein Vorteil ergibt. Wenn als Folge nur ein weiterer Zwang entsteht, wird die Haltung ablehnend sein. Es ist daher wichtig, daß wir uns nicht damit begnügen – wie wir es derzeit schon umgesetzt haben – die verschiedenen Formulare so zu entmaterialisieren, daß die Leute sie herunterladen und ausdrucken können, denn das ist nur ein bescheidener Gewinn. Wir müssen sehr schnell das Stadium erreichen, in dem alle Verfahrensetappen, d.h. die Umsatzsteuer-Erklärung und anschließend deren Begleichung, bearbeitet werden können. Und alle weiteren Prozeduren müssen voll elektronisch abgewickelt werden können, und zwar von einem einzigen Arbeitsplatz aus. Dann wird sich ein beträchtlicher Zeit- und Effizienzgewinn für die KMU ergeben. 
1998 haben wir in diesem Bereich große Fortschritte erzielt, und ich freue mich, das an dieser Stelle zu sagen, denn es handelt sich um etwas undankbare Aufgaben, deren Ergebnisse nicht hervorstechend sichtbar sind. Es ist schwierig, komplex, aber generell, und vor allem im Ministerium für Finanzen, Wirtschaft und Industrie, waren die Fortschritte deutlich spürbar. Selbstverständlich müssen sie noch eine Beschleunigung erfahren, besonders bei der öffentlichen Auftragsvergabe, wo wir durch die notwendige Reform der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gebremst werden. Wir stehen hier also vor einem gesetzgeberischen Problem, dessen Lösung sich extrem komplex gestaltet, so daß wir da zur Zeit eine Verzögerung erleben. Aber ich glaube, daß alles in die Wege geleitet ist, um den Prozeß voranzubringen bzw. zu beschleunigen. 
  Das waren einige Beobachtungen zur allgemeinen Problematik der KMU und ihres Eintritts in die professionnelle Internet-Welt der Beziehungen der Unternehmen untereinander und mit der Verwaltung.
Im Einzelhandel: nur ein paar Strohfeuer?  Nun wollen wir auf den Einzelhandel als solchen übergehen. Auch hier sind vermehrt teilweise sehr interessante und originelle Initiativen zu beobachten. Sie sind durch zahlreiche Preise, Challenges, diverse Wettbewerbe und natürlich die Presse aufgewertet worden, die ihre Aufmerksamkeit auf die Erscheinungen konzentriert, die man am besten sehen kann und die, wenn ich das so sagen darf, im elektronischen Handel am meisten Aufsehen erregen. Die Initiativen sind wirklich unzählig. Es ist noch zu früh, um eine Aussage über ihren Fortbestand zu treffen, denn sie verursachen immer noch Verluste; das ist so in Frankreich und auch anderswo. Zu Anfang steht eine Investition, und das möchte ich als erste Information weitergeben: Man sollte hier keine Illusionen im Hinblick auf die Einführung des e-commerce im Einzelhandel nähren. Die Investition ist hoch. Ich höre manchmal erstaunliche Zahlen bezüglich der Eröffnung einer Homepage auf GEOCITIES, auf WANADOO oder sonstigen Plattformen, die Ihnen die Aufnahme Ihrer Elektronikhandels-Homepage für ein paar tausend Franc anbieten. Dann sagt man sich: Jetzt kann ich mit elektronischem Handel anfangen! Das ist natürlich eine Illusion, und es muß um jeden Preis vermieden werden, daß die Unternehmen sich unter Zugrundelegung dieser völlig illusorischen Zahlen auf das Abenteuer des elektronischen Einzelhandels einlassen. Es geht selbstverständlich um die Anpassung des gesamten Unternehmens an die Ansprüche hinsichtlich Schnelligkeit und Effizienz, die der Kunde stellen wird. Der Kunde, der in ein paar Sekunden oder ein paar Minuten seinen Lieferanten im Internet findet, und zwar vielleicht um zwei Uhr nachts, erwartet natürlich anschließend von der Logistik, der Lieferung, der Rechnungslegung, dem Kundendienst, der Warenrücknahme, daß sie den gleichen Kriterien gerecht werden. Für ein KMU sind all diese Etappen oft sehr schwer zu bewerkstelligen, vor allem, wenn es seine Aktivität auf einen sehr viel größeren geographischen Einzugsbereich ausdehnen will. Es ist einfach, mit dem Verkauf von Gänseleberpastete aus dem Gers nach Neuseeland beginnen zu wollen, aber es muß natürlich auch garantiert sein, daß sie innerhalb einer den Frischevorgaben genügenden Frist ausgeliefert werden kann, daß die Sanitätvorschriften, die lokale Steuergesetzgebung, die Zollanforderungen usw. eingehalten werden. All diese Aspekte wollen wohlüberlegt sein, bevor sich ein KMU in das Abenteuer des elektronischen Handels stürzt. Dementsprechend entstehen überall Unterstützungs- und Beratungsagenturen, die derartige Empfehlungen aussprechen und die KMU veranlassen, die Wechselbeziehungen zwischen dem Schaufenster im Web, den betrieblichen Abläufen, der Logistik usw. zu bedenken. Unter diesem Gesichtspunkt kann ich die Beobachtung formulieren, daß wir solche Träger aus dem öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bereich sich vermehren und Berater und Consultants aller Art florieren sehen. 
Fragestellungen der KMU Ich stelle mir allerdings die Frage, ob unsere bedauernswerten KMU dieser unübersichtlichen Vielzahl an Beratungsangeboten nicht etwas perplex und hilflos gegenüberstehen und ob nicht schließlich "das Bessere des Guten Feind" ist. Die Beobachtungen im Zuge unserer Bewertung, unserer Bilanzierung haben uns gezeigt, daß unsere KMU heute doch eher den Eindruck einer zunehmenden, nicht abnehmenden, Komplexität haben. Obwohl das Internet ein Mittel zur Vereinfachung sein sollte, wird es heute von denen, die diese neuen Märkte erobern wollen, als ein unendlich komplexes Instrument wahrgenommen, weil man nicht genau weiß, an wen man sich wenden soll, nicht genau weiß, durch welche Pforte man am besten hineinkommt, weil es so viele Angebote zur Unterstützung gibt, die sich alle auf sehr viel gutem Willen gründen. Es gibt viele Beihilfen, kostenlose Unterstützungen, Subventionen, finanzielle Beteiligungen u.a. Ja sicher, aber welchen Weg soll man einschlagen? Welche Marschroute ist die beste? Ich befürchte heute eine zunehmende Verzettelung derjenigen, die auf den elektronischen Handel übergehen wollen, wenn sie nach dem richtigen Eingang, der passenden Subvention, der besten Beratung suchen.
Den KMU das Leben vereinfachen Unsere Bemerkung bzw. unbedingte Schlußfolgerung zu diesem Punkt heißt, daß als Priorität für 1999 keine neuen Systeme hinzugefügt, keine weiteren Initiativen ins Leben gerufen (es gibt glücklicherweise schon genügend) werden sollten, sondern sie sollen vereinfacht werden, um das Leben der KMU zu erleichtern. Oft ist bei einem KMU der Unternehmer ganz allein, und er verfügt nicht über die ausgefeilten hierarchischen Strukturen der großen Institutionen. Diese Feststellung ist ein Gemeinplatz. Er hat nicht viel Zeit für diese Dinge, und wenn ihm geholfen werden soll, dann ist es ein Bärendienst, ihn von einem Schalter zum anderen, von einer Beihilfe zur anderen zu schicken, denn dabei verliert er seine wahre Aufgabe aus den Augen, nämlich seine Kunden zufriedenzustellen und Geld zu verdienen.
Also, das Schlagwort heißt Vereinfachung, was aber wohl keine Neuauflage des alten französischen Mythos der "einzigen Anlaufstelle" bedeutet. Auch hier liefert die Technologie Antworten. Schauen wir uns an, was sich auf weltweiter Ebene auf dem Markt abspielt. Um Lieferanten und Abnehmer auf dem internationalen Markt zu führen, müssen elektronische Zugangspforten zum Markt eingerichtet werden. Natürlich sind das keine kostenfreien Pforten, sondern Unternehmen, die Geld verdienen wollen. Dennoch sind es außerordentliche nützliche Pforten, wo der Kunde bei der Hand genommen, zu den Homepages geleitet, zu bestimmten Diensten zugelassen und in eine Gemeinschaft eingeführt wird, genauer gesagt, es werden Solidaritätskomponenten zwischen den Kunden eingerichtet.
Neue Organisationsformen Ich glaube, daß der beispielhafte Charakter dieser weltweiten Marktstrukturen uns veranlassen sollte, die administrativen Organisations- und Funktionsformen auf lokaler Ebene neu zu überdenken, und zwar sowohl in der Strukturierung der professionellen Gemeinschaft als auch durch die Einrichtung von Eingangspforten zu allen Unterstützungssystemen und zu den Beratungssystemen.
  Wir wollen also nichts abschaffen und keine Vereinheitlichung betreiben, sondern effiziente Suchinstrumente einrichten, mit denen man die passenden Systeme finden kann. Instrumente allein schaffen es nicht, es ist auch wichtig, die menschlichen Anstrengungen zu vereinen. Wenn ich von menschlichen Anstrengungen spreche, meine ich damit nicht nur die Fachabteilungen der Verwaltungen, sondern alle Akteure. Eine wichtige Lehre, die wir aus diesem Jahr der Beobachtung des elektronischen Handels gezogen haben, ist, daß die Zusammenarbeit und eine enge Abstimmung aller Akteure unterbrechungsfrei gewährleistet sein muß. Sicherlich, die ersten im elektronischen Handel sind die Unternehmen, nicht die Behörden. Die Verwaltung wird nicht als Zugpferd für e-commerce dienen können. Das versteht sich von selbst. Auf der anderen Seite, die nutzbringende, erleichternde Rolle leugnen zu wollen, die die Verwaltungen bei der Entwicklung dieser Märkte spielen können, wäre gleichfalls ein Irrtum.
Der Staat muß mit gutem Beispiel vorangehen  Daher glaube ich, daß wir – und in unserem Land ist das eindeutig der Fall – neue Formen oder jedenfalls neue Entwicklungen, Abstimmungsmodalitäten zwischen den Akteuren aus den Verwaltungen, den Berufsverbänden, den Unternehmen und oftmals den gewählten Volksvertretern und den Gebietskörperschaften erfunden haben, vor allem auf regionaler und lokaler Ebene. Ich habe das zu Beginn meines Beitrags schon angesprochen und ich habe erwähnt, daß ich immer mehr Beispiele hierfür beobachte. Ja, sicher, wir müssen in diesem Bereich noch weiter gehen, noch strukturierender wirken. Vor einem Jahr haben wir vorgeschlagen, daß jede Region ein Projektteam mit Vertretern aus den Regionaldirektionen für Industrie, den Regionaldirektionen für Außenhandel, den Handelskammern, den Berufsverbänden bilden soll, das an präzise ermittelten Projekten, insbesondere im Hinblick auf die Vereinfachung der Schnittstelle zu den KMU, arbeitet. Nach einem Jahr stellen wir fest, daß diese Empfehlung nur selten umgesetzt worden ist. Vielleicht war sie nicht sinnvoll, aber jedenfalls sollte dieser Frage doch nachgegangen werden. Ich glaube, daß wir Pforten brauchen, aber hinter den elektronischen Pforten brauchen wir auch Männer und Frauen, die miteinander arbeiten und die in der Lage sind, ein Thema beschleunigt zu behandeln und den KMU eine Antwort zu liefern. In der Ära der Momentaninteraktivität in den Netzen müssen die Menschen auch so funktionieren können.
Die Kunst der Innovation Als vorletzte Beobachtung – vor einem Jahr haben wir auf die Notwendigkeit hingewiesen, angesichts des elektronischen Handels unsere Philosophie bei der öffentlichen Unterstützungspolitik, genauer gesagt, bei der Innovationsförderung in diesem Bereich, zu verändern. Wir haben uns traditionell immer stark in die Förderung der technologischen Innovation engagiert. Der elektronische Handel wird vor allem eine Innovation der Gebräuche sein, darüber muß man sich im Klaren sein. Aber auch das ist wirkliche Innovation. Oft geht es darum, bereits vorhandene Komponenten des Hardware- oder Softwarebereichs (meist des Softwarebereichs) aus dem Regal zu nehmen und zu identifizieren, denn das weltweite Angebot ist gigantisch und wächst explosionsartig Tag für Tag, sie dann in einer neuen Reihenfolge oder Anordnung zusammenzustellen, um Leistungen oder Produkte vorzustellen, oder besser gesagt, sich auszudenken, die wertschöpfend für den Kunden sind, ihm das Leben erleichtern, ihm bei seiner täglichen Vorgehensweise auf den elektronischen Märkten helfen. Und das ist wahre Innovation.
Ein neuer Zusammen-hang Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß die Innovation im Handel selbst genau wie die Innovation in der Technologie eine Förderung verdient. Und das Gleiche gilt für bestimmte Dienste, die nicht wegzudenken sind, die sich entwickeln müssen, um den elektronischen Handel zu begleiten. Hierbei denke ich an die Zertifizierungsdienste, an all diese neuen Vermittlungen, die Sicherheit für den Kunden, Sicherheit für den Markt bedeuten: Zertifizierung, Verleihung von Gütezeichen und viele andere Sicherheitsmaßnahmen, die für die Entwicklung und den Fortschritt dieses Marktes unerläßlich sind. Auch hier handelt es sich um Innovationsfelder, die wohl auch so bewertet werden müssen wie die Technologie bewertet wird. Sie sind genauso wichtig.
Die Mentalitäten anpassen  Wir wollen Schluß machen, zumindest in Frankreich, mit diesen verwaltungstechnischen Trennungen, diesem Schubladendenken mit KMU, KMI, technologischer Innovation, Gebrauchsinnovation, Diensten, Leistungen usw. Die Geisteshaltung tut sich schwer mit der Evolution, und ich weiß auch, daß es administrative Sachzwänge gibt, aber ich glaube, daß ihre Auflösung Dringlichkeitscharakter hat.
Die Evolution akzeptieren Meine letzte Beobachtung zum Abschluß: Dieser Vormarsch, der sich eigentlich recht gut anläßt, kann nur weitergehen, wenn wir auch bei der Ausbildung alle Kräfte einsetzen. Wir müssen das Stadium der Sensibilisierung hinter uns lassen. Es geht nicht nur darum, allen KMU in Frankreich einige exemplarische Erfolge zu beweisen oder vorzuführen. Es geht darum, die Verantwortlichen dieser Unternehmen auszubilden, damit sie bei ihrem Ansatz nicht durch die Befürchtung blockiert sind, daß Jüngere sie überholen, daß ihr Webmaster sie ausschaltet oder daß sie nicht mehr nachvollziehen können, was Sache ist. Sie müssen ausreichend geschult sein, damit sie zunächst einmal verstehen, daß sie nicht alles zu verstehen brauchen, daß sie nicht wissen müssen, wie das funktioniert, sondern daß sie zu analysieren haben, welcher Nutzen aus diesen neuen Instrumenten gezogen werden kann. Selbst wenn sie nicht wissen, wie die Mittel funktionieren, der von ihnen geschaffene Mehrwert besteht in der Ausschöpfung ihres nutzbringenden Potentials, im Verständnis der möglichen Anwendungen. Unter diesem Gesichtspunkt müssen ihre Besorgnisse zerstreut werden, muß ihnen der Weg in diese neue Welt geebnet werden, wobei sie Anstrengungen bei der Ausbildung unternehmen müssen.
Gleichermaßen müssen weitere Personalkategorien geschult werden, deren Arbeitsplatz in Frage gestellt wird, beispielsweise weil die geforderte Qualifikation sich ändern wird; hier denke ich natürlich vor allem an Mitarbeiter des Informatikstabs, die in ein neues EDV-Universum überwechseln müssen. Aber das gilt auch für Beschäftigte aus Vertrieb und Logistik, bei denen die zu erwartenden organisatorischen Veränderungen manchmal ihren Arbeitsplatz, fast immer jedoch ihre Qualifikation in Frage stellen.
Ausbildung für neue Berufe Um Blockierungen zu vermeiden, und zwar gilt das sowohl für die großen als auch für die kleinen Unternehmen, ist es demnach von wesentlicher Bedeutung, daß es uns gelingt, rechtzeitig die für ihre Weiterentwicklung erforderlichen Ausbildungsmaßnahmen durchzusetzen.
  Dann müssen noch die Ausbildungen für neue Berufe gewährleistet werden. Der elektronische Handel wird von der Entstehung einer Reihe neuer Berufe begleitet. Wenn uns nicht rechtzeitig die notwendigen Männer und Frauen zur Verfügung stehen, werden wir durch das Nichtvorhandensein ausreichender Mittel gebremst. Das einfachste und bezeichnendste Beispiel ist der Webmaster, der weder Informatiker, noch Kommunikations-, noch Marketingspezialist ist, sondern all das gleichzeitig. Wir könnten viele weitere Beispiele nennen. Das Internet beinhaltet, ganz besonders für die KMU, die Entstehung und Entwicklung neuer Berufe. Diese neuen Berufe müssen begriffen, analysiert, geplant werden, und es müssen die entsprechenden Ausbildungsgänge eingerichtet werden. Das bedeutet natürlich, daß wir in unseren Schulen und Universitäten, so wie sie heute sind, eine große Anstrengung unternehmen, um den elektronischen Handel dort anzusiedeln, um dort auch eine Überlegung über diese neuen Instrumente und über ihre Folgen für die Funktionsweise der Unternehmen in Gang zu bringen.
  So, hiermit ist mein Überblick abgeschlossen, der in vielfacher Hinsicht den Rahmen der KMU sprengt, der aber nach meiner Auffassung in erster Linie die KMU betrifft. Es bestätigt sich, daß das Internet für die KMU und auch für die Existenzgründer großartige Möglichkeiten beinhaltet, daß es ein neuer Raum ist, der sich auf die Dimension der Welt erweitert. Die Möglichkeiten wollen jetzt ergriffen sein. Die öffentliche Hand – sei es auf regionale, lokale, nationale oder europäische Ebene – hat eine Rolle zu spielen, die sie aber nur dann auf intelligente Weise übernehmen kann, wenn sie es in enger, in täglicher Abstimmung mit den Marktteilnehmern tut. Sie darf sich nicht von einem Begeisterungssturm mitreißen lassen, der bei den Unternehmen und den KMU nur zusätzliche Verwirrung stiften würde.
Das Leben der KMU vereinfachen  Mein letztes Wort heißt: Wir wollen das Leben der KMU vereinfachen.

Vielen Dank.